10. Jänner 2017: Führen in Balance zwischen Leistungsdruck und Menschlichkeit
Goldene Regeln der Führung finden Sie in jedem zweiten Newsletter, und Managementmagazine sind voll davon. Als ob es bei Führung ein Richtig und Falsch gäbe! Der Job von Führungskräften ist facettenreich. Deshalb ist wohl einerseits die Verführung groß, Tipps und Tricks zu suchen und andererseits ist jedes Rezept unzureichend und irreführend.
Meine Überzeugung ist, dass jede Form zu führen Folgen hat. Meine Frage ist: Wie erfolgsversprechend und erwünscht ist die Wirkung Ihrer Führungsaktivitäten und -haltung?
Führung wird unterschiedlich definiert und mit Bildern und Metaphern illustriert. Das reicht von „Führung ist das Bindeglied zwischen Strategie und operativer Umsetzung“ (Mintzberg) bis zu „Führung ist das Aufgabenbündel von Bewerten, Entscheiden, Anleiten, Kontrollieren und Beurteilen“ (Pechtl). Im Organisationskontext hat Führung jedenfalls immer etwas mit Absicht und Aktion zu tun. Jede Führungssituation erfordert letztlich eine Entscheidung und Handeln, und das oft mit unzureichend Information und Zeitdruck.
Der Führungsforscher Neuberger hat Spannungsfelder der Führung zusammengetragen. Da finden sich z.B. folgende Dilemmata: Gleichbehandlung aller MitarbeiterInnen versus Eingehen auf den Einzelfall, professionelle Distanz versus Nähe. Die Liste der Polaritäten ist lang und die Logik „entweder oder“ greift zu kurz, ganz besonders in dem Bereich Leistungsdruck und Menschlichkeit.
Speziell gefordert in diesen Paradoxien sind Sandwich-Führungskräfte, die Führungskräfte über sich haben – mit Visionen, Strategien, Change-Projekten etc. – und Mitarbeiter unter sich – mit Kundenreklamationen, Lieferengpässen, Krankenständen etc. Wie entscheiden Sie – als Diener zweier Herrn oder aktiv nach oben und unten führend? Welcher Mix bewährt sich da?
Handlungsfähig zu bleiben und eine Lösung zu finden, bedarf in Dilemmata oft, sich vom Widerspruch zu lösen und vom Anspruch einer richtigen Entscheidung. Besser Sie fragen sich: Wo bitte ist die Mitte? Wo sind mögliche Verbindungen zwischen den Varianten? Was brauche ich für einen mittleren Weg?
Ich habe in einem Medienkonzern die Personalentwicklungs-Stabstelle geleitet und über Projekte Führungserfahrung gesammelt. Als Trainerin und Coach habe ich viele Führungskräfte mit Ihren Erfolgen und Pannen erlebt. Immer wieder waren es folgende Fähigkeiten und Elemente, die Souveränität vor allem im heiklen Spannungsfeld zwischen Leistungsdruck und Menschlichkeit brachten:
1. Individualität und Selbstbewusstsein
Führungskräfte, die sich Zeit nehmen für Reflexion und Austausch, für Rückblick – auch auf Pannen und Pleiten schauend – und die ihre Lessons learned sichern, entwickeln ein Selbstbewusstsein und einen individuellen Führungsstil, der auch zu Charisma werden kann. Laufende Weiterqualifizierung, um Stärken zu pflegen,
fachliche Lücken zu schließen und den Horizont zu erweitern ist Teil ihres Alltags.
2. Rollen-Klarheit und -Flexibilität
Wer Erwartungen und Anforderungen explizit vereinbart und sich zu den jeweiligen Verantwortungsbereichen die Entscheidungskompetenzen sichert, hat mehr Chance auf rasche Abstimmungsprozesse und kürzere Lernschleifen. Klare Kommunikation und gesicherte Akzeptanz in der eigenen Funktion ermöglichen Führungskräften mit ihren unterschiedlichen Rollen bewusst und flexibel auf Situationen zu reagieren.
3. Konfliktbereitschaft und -fähigkeit
Souveräne Führungskräfte heißen Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten als Akt kreativer Schöpfung und Entwicklungsmöglichkeit willkommen. Die erforderlichen Kommunikationswerkzeuge (Fragen, Zuhören, Verhandlungsprinzipien, …) zu beherrschen und sich in wertschätzender Haltung zu üben, fördert auch den Mut mal zu scheitern!
4. Lösungsfokussierung
Ziele im Auge behalten, Abweichungen ansprechen und Verbesserungen finden stehen im Fokus von Führungskräften, die Lösungsorientierung als ihre Grundhaltung gewählt haben. Gerade die aktuellen Forderungen nach Höchstleistung und Menschlichkeit bedürfen eines breiten Lösungsraumes und Kreativität.
5. Horizontale und vertikale Beziehungen
Die oft erlebte Einsamkeit der Führung kann durch Solidarität mit Seinesgleichen und die Pflege von Netzwerken über verschiedene Ebenen bewältigt werden. Ein Austausch über gelungene Wege im Balancieren von Widersprüchen oder auch über misslungene Bemühungen hilft jedem, die eigene Mitte zu finden.
Viele Tools und Haltungen sind trainierbar und Sie können jederzeit beginnen, ein Dilemma mit neuen Augen und neuen Worten zu begegnen!
Ich unterstütze Sie gerne mit Coaching oder in einem Workshop!
Literaturtipps:
• Führen und Führen lassen. Oswald Neuberger
• Mintzberg über Management. Henry Mintzberg
• Zwischen Organismus und Organisation. Waldefried Pechtl
• Höchstleistung und Menschlichkeit. Franz Breckwoldt
— Posted on 1. Februar 2017 at 10:09 by Margit Weingast
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