25. April 2020: Achtsamkeit – ein skuriles „Lehrbuch“
In meinen Trainings und Vorträgen zu Achtsamkeit und Mindful Leadership ist ein Kapitel „Hype und Hohn“. Da diskutiere ich den Aufstieg der Achtsamkeits-Idee und ihre Auswüchse. Der Begriff Achtsamkeit wird immer wieder missbraucht und das Thema bis ins Unerträgliche ausgeschlachtet.
Das Buch „Achtsam morden“ von Karsten Dusse ist ein Beispiel für einen skurrilen Brückenschlag zwischen der Attraktivität von Kriminalromanen und der Praxis von Achtsamkeit.
Eine Freundin, die den Spiegel-Bestseller gekauft hatte, schickte mir Zitate zu Achtsamkeit, die jedes Kapitel eröffnen. Zum Beispiel:
„Ein Mensch, der dauernd tut, was er will, ist nicht frei. Allein die Vorstellung dauernd etwas tun zu müssen hält gefangen. Nur ein Mensch, der einfach mal nicht tut, was er nicht will, ist frei.“
Oder:
„Der erste Schritt zu einer guten Lösung ist, überhaupt erst einmal ein Problem zu haben. Viele tolle Lösungsansätze scheitern bereits daran, dass es gar kein Problem gibt, zu dem sie passen. Der zweite Schritt ist es, zu vermeiden eine einzelne Lösung zu suchen. Es gibt unzählige Lösungen. Für jedes Problem. Die richtige Lösung wird SIE finden!“
Das hat mich neugierig gemacht, obwohl ich sonst keine Krimi-Freundin bin. Der sarkastische Humor, die schrägen Gestalten aus dem Mafiamilieu und die kreative Interpretation von Achtsamkeits-Grundsätzen haben mich viel lachen lassen.
Die Geschichte handelt vom Anwalt Björn, der den Mafioso Dragan in all seinen dunklen Geschäften vertritt. Seine Ehe droht u.a. wegen seinem Jobeinsatz zu scheitern, und er hat Sorge dadurch den Kontakt zu seiner geliebten Tochter Emily zu verlieren. Dem Vorschlag seiner Frau, einen Achtsamkeitscoach aufzusuchen, folgt er und was dann passiert ist voller Überraschungen und irrwitzig zugleich. Viele aktuelle Themen werden überzeichnet, wie z.B. die Bestechungsstrategien für einen Kinderbetreuungsplatz; viele Klischees aus dem Polizeimilieu werden zu Karikaturen in Wortgestalt.
Die eingestreuten Tipps und Übungen sind durchaus brauchbar, die sehr eigenwillige Interpretation und Verdrehung von Sachverhalten unter dem Vorwand von Achtsamkeit sind nur unterhaltsam, wenn man sich einlässt und loslässt;-)
— Posted on 20. April 2020 at 10:36 by Margit Weingast
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